Eigentlich wollte ich den ganzen Wald-Weinviertelweg 663 von Retz bis Rosenburg gehen, also in umgekehrter Richtung – sozusagen als Wein-Waldviertelweg. Im Rucksack hatte ich für den Fall des Falles einen Regenschutz, einen wasserdichten Behälter für Fotoapparat und Handy, eine Jause, sowie Wasser und Futter für die Hunde. Kompass und Karten hatte ich auch, und zwar eine alte ÖK 1:50.000 Horn und einige Kopien von austrianmap.at, die das Gebiet von Retz bis Sigmundsherberg zeigten. Leider fehlte mir ein winziger Teil, aber ich dachte „What shall’s, der Weg ist eh markiert.“ Nun ja. Eines vorweg: Ohne Karte bist du auf dem Abschnitt im Weinviertel verloren.
Nach morgendlichen Kalamitäten, wie sie nur dann auftreten, wenn man etwas vorhat, war ich endlich um 0845 in Retz am Start.
Bald waren wir bei der Windmühle angelangt.
Weiter ging es durch die Weingärten. Während der Mittagsstunden im Hochsommer muss das eine heiße Angelegenheit sein, und ist nur Leuten zu empfehlen, die auf ausgedehnte Asphalthatscher im Sonnenschein stehen.
Ich dachte mir noch nichts dabei, als anstelle der vertrauten Markierungen gelbe Schilder, z.T. ohne Aufschrift, z.T. mit phantasievollen Namen, geheimnisvollen Kürzeln oder Weintraubensymbolen auftauchten. Um 1000 erreichten wir das „Jägerkreuz“, und in der Nähe fand sich auch ein Schild für den Wanderweg 663. Aber wohin zeigte es denn? Geradewegs in die Schlehen!
Wir beschlossen, diesem Schild keinesfalls zu folgen, zumal auch die Karte eindeutig einen anderen Wegverlauf vorschrieb.
Trauben und Blumen – das Weinviertel zeigte sich von seiner schönsten Seite.
In Obermarkersdorf, welches wir ca. um 1100 erreichen, konnten sich die Hunde im Teich erfrischen.
Ein Stückchen nach Obermarkersdorf hatte ich die Qual der Wahl. Mir fehlte nämlich dieser Teil der Karte und so musste ich mich blind zwischen „S1“, „S2“ und „Europawarte“ entscheiden. Von 663 zwar keine Spur, aber eine rote Markierung. Naiv, wie ich bin, dachte ich mir, der Weg würde sowieso über die Europawarte führen und dort würde sich das Weitere schon finden. Mir war schon aufgefallen, dass bei Abzweigungen eher keine Hinweise zu finden waren, sondern die Markierungen vorzugsweise da angebracht waren, wo man eigentlich eh nicht anders gehen konnte. Wie auch immer, um 1145 gelangen wir zu der Europawarte.
Wir haben dieses Bauwerk nicht erklommen, aber eine kleine Pause eingelegt.
So, und wo geht es nun weiter? Beim Aufstieg hatte ich eine Tafel mit 663 erblickt. Sie zeigte – na ja – irgendwie in den Wald. Wir also frisch gestärkt von dem Päuschen in die angegebene Richtung marschiert. Bei einer Wildfütterung verlor sich der Weg in –zig Spuren, die kreuz und quer durch den Wald führten. Also Kommando zurück, gerade, dass ich die Warte noch wiedergefunden habe! Aber halt, da ist ja ein einladender Weg, wahrscheinlich war diese Richtung gemeint …. Wer konnte auch ahnen, dass der Hinweis in die Richtung zeigen sollte, aus der wir gekommen waren, zurück zur Straße und dort dann weiter. Nach einer kurzen Strecke auf gutem, schattigen Weg durch den Wald kamen wir an eine Straße, und mir war nach wenigen Metern klar, dass wir genau auf Waitzendorf zugingen. Dort hatten wir eigentlich nichts zu tun, und dahin hätten wir auch wesentlich schneller gelangen können, wenn wir einfach der Straße von Obermarkersdorf aus gefolgt wären. Egal, wir hätten nie erfahren, dass Waitzendorf sogar ein Bad hat, wenn wir den richtigen Weg gegangen wären. Waitzendorf war zum Glück wieder auf meiner Karte vorhanden, und so schlugen wir den direkten Weg zum Weißen Kreuz ein.
Alles bestens, auch die Schutzengelkapelle war bald erreicht. Auf einer Sandstraße wanderten wir weiter nach Leodagger. Man kommt aus dem schattig-kühlen Wald und glaubt sich unvermutet in den Süden versetzt.
Für diesen Ort muss ich noch mal Zeit nehmen! Es gibt nämlich einen Kalenderstein, den ich mir anschauen möchte.
Vor Pulkau, auf das wir jetzt zuhalten, gruselt mir ein bisschen, weil mich in verbautem Gebiet mein Orientierungssinn leicht verlässt. Schlau, wie ich bin, folge ich nicht der Markierung, sondern wähle einen anderen Weg, um möglichst wenig in den Ort zu kommen. Wir erreichen Pulkau um ca. 1400, machen eine Pause und ich Depp gehe prompt in die Richtung, aus der wir hätten kommen müssen, wenn wir der Markierung gefolgt wären. Das kostet Zeit. Ich tröste mich damit, dass Pulkau schöne Fotomotive bietet und dass sich außerdem selbst Weltklasse-Orientierungsläufer schon um 180 Grad geirrt haben.
Endlich gehe ich in die richtige Richtung, komme zu der Mühle im Bründltal, bei der ich eigentlich rechts hätte gehen sollen …. Aber rechts geht es bergab statt bergauf, und da steht nur „zum Reitertreff Centaur“-irgendwas. Links dagegen ein buntes Durcheinander von „Route 1, 2 oder 3“, „Waldlehrpfad“, „tut gut“, „langsam fahren“ und ich weiß nicht was noch alles. Was nun? Falsche Mühle? Geänderte Wegführung? Außerdem hat sich der Himmel verfinstert. Ich gehe lieber da, wo etwas angeschrieben steht. Der Weg ist eh schön, abenteuerlich, lehrreich ... und überhaupt. Und komme zur Bründlkapelle. Wo ich eigentlich nicht hin wollte. Wir machen erst mal Pause. Ich trinke aus der mitgebrachten Wasserflasche, den Hunden fülle ich den Napf mit Wasser aus dem Bründl an. Wasche mir auch das Gesicht mit dem Wasser, vielleicht hilft es ja.
Wir machen auf jeden Fall Pause und dann sehen wir weiter. Die Markierung zeigt nach rechts. Auf keinen Fall, sonst laufen wir jetzt wieder zurück nach Pulkau. Also gehen wir erst mal geradeaus. Nun zeigt eine andere Markierung nach links. Die können mich mal, ich verlasse mich auf meinen Richtungssinn und geh jetzt einfach der Nase nach! Der Wirtschaftsweg geht in einen Grasweg über. Und plötzlich, um 1600 merke ich, dass hier keine Weingärten mehr sind. Wir sind im Waldviertel. Keine Ahnung, wo, aber – um es mit Hans Christian Andersen zu sagen – ein Unterschied ist da!
Pfeif auf 663, aber – siehe da! – auf einmal stoßen wir auf die Markierung und von nun an – wir sind in der Gegend von Missingdorf - hätten wir keine Karte mehr gebraucht. Lucille gelingt es, eine Maus zu fangen, und von dem Zeitpunkt an, sind die Hunde noch motivierter, als sie es ohnehin schon die ganze Zeit waren.
Wir nähern uns Sigmundsherberg, welches wir um 1800 erreichen.
Mir dämmert langsam, dass wir heute kaum mehr nach Rosenburg kommen werden, wenn wir nicht in der Dämmerung den Wald bis Maria Dreieichen durchqueren wollen. Nein, das wollen wir definitiv nicht -
und vereinbaren daher mit dem Herrl eine Abholung beim Kreuz außerhalb von Rodingersdorf, wo wir um 1845 ankommen. 10 Stunden für ca. 30 Kilometer - einen Rekord haben wir zwar nicht gerade aufgestellt, aber einen schönen, interessanten Tag verbracht.